Für wen ist die SZT geeignet?
Nach einem Vortrag von Prof. Jaap van Laar, Medizinisches Zentrum der Universität Utrecht, Niederlande, zum 6. Welt-Sklerodermie-Kongreß, übersetzt und zusammengefaßt von Mitgliedern der Scleroderma Liga e.V., 2020
Es gibt mittlerweile viel Erfahrung und zwei wesentliche Studien vor allem in Nordamerika und den Niederlanden. Es hat sich über die Jahre von einer experimentellen zu einer Standardtherapie entwickelt.
Für die Patienten ist die Therapie kein Spaziergang. Es ist der Versuch eines Resets (Neustart) des Immunsystems – so wie Strg+Alt+Entfernen am Computer.
Es handelt sich um eine hochdosierte Chemotherapie, bei der die Risiken und der mögliche Nutzen gut abgewogen werden müssen. Mittlerweile gibt es dafür eine gute Datengrundlage. In manchen Ländern spielen auch die Kosten eine große Rolle (ungefähr 50.000 Euro).
Das Ziel ist, das Fortschreiten der Krankheit langfristig aufzuhalten und vor allem schwere Krankheitsverläufe zu stoppen. Ob eine Heilung möglich ist, kann man bisher noch nicht sagen.
Auswahlkriterien
- Alter 16-65 Jahre (sonst ist das Risiko zu hoch)
- Diffuse (Systemische) Sklerodermie mit
- Krankheitsdauer bis zu 4 Jahren mit einem Haut Score 15 und mehr (auf einer Skala von 0-51), Herz, Lunge und Nieren sind betroffen
- Krankheitsdauer bis zu 2 Jahren mit einem Haut Score ab 20 und Entzündungsmarkern im Blut
Man beschränkt sich auf schwere Systemische Sklerodermie in frühen Stadien, da andere Formen – wie die limitierte Form – auch auf anderem Weg mit weniger Risiko gut versorgt werden können.
Ausschlußkriterien
- Organe sind schwer betroffen (Herz, Lunge, Nieren)
- Vorangegangene, umfangreiche Therapie mit Cyclophosphamid (Handelsname: Endoxan)

Die bisherigen Zahlen zeigen, dass verglichen mit eine Therapie mit Cyclophosphamid die langfristigen Ergebnisse besser sind, nicht nur im Bezug auf die Lebenserwartung (Bild oben), sondern auch bezogen auf die Hautverdickung und die Fähigkeiten zur Bewältigung des täglichen Lebens, die über einen Fragebogen erhoben werden (Bild unten).

Auch sind die Ergebnisse deutlich besser bei Patienten, die nie geraucht haben.
Ausserdem hat sich herausgestellt, dass die Therapie für Patienten mit weiteren Erkrankungen der Lunge, bei Bluthochdruck oder Depression nicht geeignet ist. Das wären zu hohe Risiken für eine Transplantation.

Die Abwägung eine frühe Therapie zu versuchen, die den größten Erfolg hätte – später steigt das Risiko und gleichzeitig nimmt der Erfolg bei fortgeschrittener Erkrankung deutlich ab – anstatt zunächst auf eine andere erprobte Therapien zurückzugreifen (Mycophenolate Mofetil, MTX), ist schwierig. Zu diesem Zweck ist eine Studie mit dem Namen „UPSIDE Trail“ in Mitteleuropa geplant.

Auswahlkriterien für die UPSIDE Studie
- Alter 18-65 Jahre
- Diffuse (Systemische) Sklerodermie mit einer Krankheitsdauer bis zu 2 Jahren mit schwerer Hautverdickung und/oder schwer betroffenen Organen
Beteiligt sind u.a. Zentren in den Niederlanden, in Belgien (Gent, Leuven), Italien (Milano) der Schweiz (Basel) und Deutschland (Tübingen und Würzburg).
Um die Eingangs gestellte Frage konkret zu beantworten: Für wen ist die SZT geeignet? Wer hätte den größten Nutzen?
- Krankheitsdauer bis 2 Jahre
- Nicht-Raucher
- Alter unter 65 Jahre
- Eine allgemeine Fitness bzw. guter Allgemeinzustand, um die Stammzellentherapie gut zu überstehen.
Reduzieren der Giftigkeit von SZT
Nach einem Vortrag von Prof. Alan Tyndall, Uniklinik Basel, zum 6. Welt-Sklerodermie-Kongreß, übersetzt und zusammengefaßt von Mitgliedern der Scleroderma Liga e.V., 2020
Dieser Vortrag beschäftigt sich ausschließlich mit der Variante der autologen Stammzellentransplantation (SZT), wo der Patient seine eigenen Stammzellen zurück bekommt, d.h. er/sie ist ihr eigener Spender.
Die Therapie ist nicht neu, aber die Anwendung bei Autoimmunerkrankungen ist relativ neu.
Idee zur Anwendung bei Autoimmunerkrankungen

- Ausrotten der immunen und entzündlichen Blutzellen – gute und schlechte – und Ersetzen des Blutes und des Immunsystems mit gesunden Stammzellen
- Mit der Hoffnung eines dauerhaften Neustarts des selbstzerstörerischen Immunsystems
- Das war vor einigen Jahrzehnten und es funktioniert tatsächlich!
Das zeigt ein Beispiel einer jungen, indischen Frau, die auf keine Therapie ansprach. Die Haut war schwer betroffen (2006). Nach der SZT (2010) war die Erkrankung nicht nur zum Stillstand gekommen, sondern die Haut war fast wieder ganz normal. Bei der letzten Kontrolluntersuchung 2019 war alles wieder ganz normal. Die ANA und Scl 70 Marker im Blut sind dauerhaft verschwunden. Sie bekommt keine Medikamente mehr. Ihr Immunsystem regiert nun normal auch auf andere Infektionen.
Aber sie musste auch einen Preis dafür bezahlen: Eine frühe Menopause und eine Infektion in der frühen Phase nach der SZT, als das Immunsystem noch dabei war, sich zu regenerieren. In einer der internationalen Studien (ASTIS) lag die Sterblichkeit der Patienten bei 10%. Bei der SCOT-Studie in Nordamerika waren es 3%.
Was haben wir in 20 Jahren gelernt?
- Für einige Patienten ist es möglich, das Immunsystem neu durchzustarten und es hält an – zumindest für 20 Jahre, die wir bisher Erfahrungen gemacht haben
- Aber es geht mit einer beachtlichen Sterblichkeit und Vergiftung einher.
- Es sollte möglich sein, die Giftigkeit zu reduzieren, z.B. durch gezieltes Ausschalten der Blutzellen, die für die Krankheit relevant sind – nicht aller Blutzellen – um die Kollateralschäden möglichst gering zu halten.
- Keine SZT bei fortgeschrittener Erkrankung mit schweren, irreversiblen Organschäden, die es für den Patienten schwieriger machen, die Therapie zu überstehen.
Ansatz „Trojanisches Pferd“
Es gibt verschiedene Arten von Zellen im Blut. Es gibt rote und weiße Blutkörperchen. Die weißen Blutkörperchen sind vor allem für die Abwehr von Infektionen zuständig und die Lymphoblasten merken sich diese Informationen auch über längere Zeit.

Wir wissen nicht, welche der in Frage kommenden Blutzellen Sklerodermie verursachen. Aber sie haben einen bestimmten Rezeptor, den keine anderen Zellen im Körper haben.
Das Gift wird fest mit einem Antibody verbunden. Dieser hat einen Rezeptor an bestimmten Zellen, wo er ankoppeln kann – das kann er nicht an allen Zellen, sondern nur an bestimmten Blutzellen – und nur dort wird das Gift dann in die Zelle mitgenommen, wo es seine jeweilige Wirkung entfaltet. So werden nur bestimmte Zellen abgetötet, nicht alle.

Auch ist wichtig, ob eine Zelle brutal zerstört wird und alle Inhaltsstoffe dabei in die Umgebung gelangen und dort weitere Schäden verursachen (an diesen Nebenwirkungen sind auch viele Covid-19-Patienten gestorben) – oder ob eine Zelle quasi Selbstmord begeht und ruhig verschwindet ohne giftige oder schädliche Substanzen im Körper frei zu setzen.

Diese Verfahren sind viel besser verträglich als frühere Chemotherapien, die alle Zellen im Körper angegriffen habe.
Die Entwicklung geht weiter und die Patienten werden nicht allein gelassen.
Erfahrungen einer Patientin
Stephanie Munoz aus Norwegen ist 28 Jahre alt. Sie hatte eine SZT im November 2018. Ungefähr im August 2017 begannen die Symptome und es dauerte ca. 9 Monate bis bei ihr die diffuse Form der Systemischen Sklerose diagnostiziert wurde. Die Krankheit hatte einen sehr schnellen Verlauf und verursachte bei ihr enorme Schmerzen. Die SZT war die einzige Möglichkeit, die Erkrankung vielleicht stoppen zu können.
Vorher hat man natürlich eine ganze Serie von Untersuchungen, um zu sehen, ob man die Therapie aushalten und überstehen kann. Die Therapie ist brutal. Körper und Geist kommen an ihre Grenzen. Es ist natürlich individuell sehr unterschiedlich und hängt stark davon ab, wie stark der Körper durch die Erkrankung schon geschädigt ist. Es macht Angst, aber sie würde es wieder tun. Kein Zweifel.
Die SZT war vor 1 Jahr und 8 Monaten und sie kann nun alles tun, was sie will. Die Hände sind immer noch stark verkrümmt, aber die Haut am ganzen Körper ist wieder weich und sie hat keine Schmerzen mehr. Sie fühlt sich sehr gut. Ihr Skin Score lag vor der Therapie bei 34 und ist nun bei 6 (auf einer Skala von 0 bis 51, zeigt wie stark sich die Sklerodermie bei der Haut manifestiert). Nun trainiert sie weiter regelmäßig, um ihre Muskeln wieder aufzubauen, die sie während der Therapie, aber auch schon davor verloren hatte. Sie konnte vor der SZT nur maximal 5 Minuten laufen. Dann war sie vollkommen erschöpft und die Schmerzen waren zu stark.
Nach der Therapie muss man sich darauf einstellen, dass die Erholung sehr lange dauert. Man braucht sehr viel Geduld – übermenschliche Geduld. Man hofft das Beste. Es ist bei jedem und jeder anders. Man weiß nicht, was auf einen zukommt.
Was oft übersehen wird, sind die psychischen Nebenwirkungen einer solchen Therapie. Es ist so einfach, sich auf die sichtbaren Veränderungen der Haut und des Körpers zu konzentrieren. Die Verbesserungen sind leicht zu sehen. Die Leute sagen: „Du siehst toll aus.“ Aber der Zustand der Psyche ist nicht so leicht zu sehen.
Vor einem Jahr hatte Stephanie Munoz schwere Depressionen nach der schweren Krise, die die Therapie für sie bedeutet hat. Sie wußte, dass sie eigentlich froh sein müßte, dass sie die Therapie überlebt hat, aber sie fühlte sich nicht glücklich. Vorher hatte sie nie Depressionen. Es war völlig neu für sie. Es war beängstigend. Sie wußte, sie braucht Hilfe und fragte ihren behandelnden Arzt wegen einer Therapie. Sie entschied sich für eine Gruppentherapie. Es war sehr schwierig, in sich hinein zu schauen, die eigenen Gefühle wahr zu nehmen. Aber dann stellte sie fest, dass sie nicht die Einzige ist, die solche oder andere Krisen durchgemacht. Das ist sehr menschlich. Sie hat jetzt keine Angst mehr vor der Zukunft. Sie versucht im Augenblick zu leben. Auch wenn man mal einen schlechten Tag hat. Es geht auch wieder vorüber. Sie kann eine Gruppentherapie nur empfehlen. Sie ist sehr dankbar dafür.
Das war ein kleiner Einblick, was sie erlebt und durchgemacht hat. Es gibt immer Leute, die helfen wollen. Ärzte, andere Patienten – Selbsthilfegruppen. Wir haben so eine seltene Erkrankung und müssen uns daher selbst um unsere Therapie kümmern. Wir müssen unter jeden Stein schauen, um etwas zu finden, was uns vielleicht hilft. Es ist so wichtig dran zu bleiben und nach Therapien zu fragen, über die man gehört oder irgendwo gelesen hat. Auch die Ärzte haben nicht von allen Therapien gehört. Keine Angst. Einfach seine Fragen stellen und sich nicht so schnell abweisen lassen.
Stephanie Munoz ist allen aus tiefstem Herzen dankbar, die ihr zugehört und geholfen haben. Ihnen sagt sie: „Keep on going! Weiter so!“