Nach einem Vortrag von Prof. Ivan Foeldvari, Hamburger Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie, zum 6. Welt-Sklerodermie-Kongreß, übersetzt und zusammengefaßt von Mitgliedern der Scleroderma Liga e.V., 2020
Es gilt eine dringende Empfehlung, mit allen Kindern und Jugendlichen bei vermuteter limitierter oder systemischer Sklerose ein darauf spezialisiertes Zentrum aufzusuchen!
Das kann z.B. das Zentrum von Prof. Ivan Foeldvari in Hamburg sein: https://kinderrheumatologie.de/
Bei Kindern und Jugendlichen tritt die limitierte Form sehr viel häufiger auf als die diffuse, systemische Sklerodermie. Beides sind komplett unterschiedliche Erkrankungen.
Limitierte Sklerodermie
Definition & Klassifizierung
Bei der limitierten Form sind vor allem die Haut, Kopf, Gesicht, Arme und Beine betroffen. Es ist eine Autoimmunerkrankung, die zu Arthritis führen kann. Wenn Kopf und Gesicht betroffen sind, ist oft auch das zentrale Nervensystem betroffen. Verletzungen quer zu den Gelenken können zur Einschränkung der Beweglichkeit führen. Lineare Verletzungen an den Armen oder Beine können zu unterschiedlicher Länge führen. Verletzungen im Gesicht können Verformungen verursachen. Diese Form entwickelt sich nicht zu systemischer Sklerose.
Die verschiedenen Formen sind in folgender Tabelle zusammengestellt:

Bei der Diagnose wird vor allem die Haut genau untersucht. Die Methode nennt sich LoSCAT und ist ein gutes Hilfsmittel, um die Aktivität und die Schwere der Verletzungen durch die jugendliche, limitierte Sklerodermie (JLS) festzustellen.

Bei jeder wiederkehrenden Untersuchung werden die Gelenke (z.B. Mundöffnung), die Stärke der Muskeln, eventuelle Unterschiede der Länge von Armen und Beinen überprüft, um festzustellen, ob die Erkrankung fortschreitet und wie schnell. Eine zahntechnische Untersuchung ist geboten, wenn das Gesicht betroffen ist, eventuell auch das zentrale Nervensystem und immer die allgemeine Lebensqualität.
Therapie
- 1. Wahl ist MTX (Methotrexat)
- Wenn eine MTX-Unverträglichkeit besteht, ist Mycophenolat die erste Wahl.
- Wenn beide Medikamente nicht wirken – auch nicht in Kombination, können weitere biologische Mittel gegeben werden.
- Bei Einschränkungen in der Beweglichkeit der Gelenke ist Physiotherapie sehr wichtig.
- Im Gesicht können Verformungen mittels Fettzellen-Transplantation recht gut korrigiert werden.
- Psychosoziale Hilfe, wenn notwendig
Vor und nach einer Fettzellen-Transplantation:

Behandlungsempfehlungen: https://link.springer.com/article/10.1007/s40272-019-00363-5
Langfristige Aussichten
Die Krankheit ist gut behandelbar, wenn die Behandlung beginnt, bevor schwerwiegende Schäden aufgetreten sind. Frühe Erkennung und Diagnose sind der Schlüssel. Das „therapeutische Fenster“ zu nutzen ist sehr wichtig. Trotzdem kann die Krankheit auch nach 30 Jahren noch aktiv sein.
Diffuse Form, Systemische Sklerose
Klassifizierung
Der Unterschied zwischen der limitierten und der diffusen Form:

Das Punktesystem, das für Erwachsene entwickelt und bereits in dem Vortrag zur Diagnose vorgestellt wurde, wird auch für Kinder und Jugendliche verwendet. Ab 9 Punkten wird die Diagnose Systemische Sklerose gestellt.
Organbeteiligung bei Systemischer Sklerodermie
Anders als bei der limitierten Form können bei der diffusen Form mehrere Organe betroffen sein und dies in unterschiedlicher Art und Weise:

- Die Haut wird dick und hart.
- Fingerkontraktion
- Raynaud Phänomen
- Digital Ulcers (offene Wunden an den Fingerkuppen)
- dunkelrote Flecken im Gesicht
- Kalzinosen
Häufig und besonders kritisch ist es, wenn die Lunge betroffen ist. Das ist im Moment die häufigste Todesursache bei SSc. Es gibt Lungen-Fibrose und PAH (Lungenhochdruck). Doch inzwischen gibt es wirksame Medikamente, um die Schäden z.B. durch die Fibrose rückgängig zu machen.
Das Herz kann auf sehr unterschiedliche Weise betroffen sein, z.B. der Herzmuskel.
Nierenversagen war früher ein sehr schwerwiegendes Problem, das aber glücklicherweise bei Kindern und Jugendlichen nicht auftritt.
Sehr häufig ist das Verdauungssystem betroffen, was zu diversen Problemen führen kann:
- Reduzierter Speichelfluß
- Reduzierte Beweglichkeit der Speiseröhre, des Magens und Darms
- Schließmuskel der Speiseröhre zum Darm funktioniert nicht mehr richtig, sodass es z.B. oft zu Sodbrennen kommt.
Therapie
Die Therapie bei Kindern und Jugendlichen ist von der Therapie bei Erwachsenen abgeleitet. Es ist ein Behandlungskonzept aller medizinischen Disziplinen. Richtlinien sind in Arbeit und werden bald veröffentlicht. Weiterhin sind Physiotherapie und psycho-soziale Unterstützung wichtige Teile der Therapie.
Aktuelle Studien
Jeder Patient zählt und hilft, die Erkrankung besser zu verstehen. Nehmen Sie an unseren Studien teil! Wir würden uns freuen, wenn Sie uns kontaktieren, um zu klären, wie Sie teilnehmen können.

Erfahrungen einer Patientin
Sie heißt Sylvia und wohnt in Bukarest, der Hauptstadt von Rumänien. Sie ist 38 Jahre alt und arbeitet Vollzeit in einer Verkaufsabteilung einer Firma.
Als es 1998 begann, war ich knapp 16 Jahre alt. Es gab in Rumänien keine Informationen. Niemand konnte ihr sagen, was sie hat. Es gab keine spezialisierten Zentren, keine Tests. Es gab einige wenige Ärzte, die sich auskannten. Nach 3 Jahren konnte ein Arzt die Diagnose stellen: Systemische Sklerose. Die Therapie konnte beginnen.
Die Eltern suchten Information auch im Internet. Jeder Arzt gab andere Therapieempfehlungen. Sie entschied sich für eine Ärztin, die sehr einfühlsam war. Vertrauen ist sehr wichtig. Es war eine gute Wahl.
Es gab gute und schlechte Zeiten. Sie lernte auf ihren Körper zu hören. Die Familie und ihr Freund waren eine sehr große Hilfe. Sie begann auch mit ihren Freunden über die Krankheit zu reden und sie damit für sich zu akzeptieren.
Sie begann eine Psychotherapie. Einmal, nach einigen Monaten, frage sie die Therapeutin: „Ich verstehe, dass die Krankheit sehr viele negative Auswirkungen auf dein Leben hat, aber gibt es auch positive Dinge?“ Nachdem sie kurz nachgedacht hatte, fiel ihr ein, dass es tatsächlich positive Dinge gibt, die die Krankheit mit sich gebracht hat,. z.B. mehr Verständnis für andere zu haben, weniger über andere zu urteilen, selbstbewusster zu sein, eine gesunde Ernährung zu haben, regelmäßige Übungen zu machen und sogar einen Selbsthilfeverein für Sklerodermiepatienten zu gründen. Gemeinsam mit den anderen kämpft sie für ihre Rechte als Sklerodermiepatienten.
Und die Krankheit brauchte sie in Kontakt mit anderen Patienten aus aller Welt, die sie sogar Freund*innen nennen kann. So reiste sie in viele Länder zu den Kongressen, wo sie viele wichtige Informationen erhalten hat. Und sie liebt das Reisen.
Sie möchte gern mit einem optimistischen Hinweis enden: „Ich weiss wir sind alle unterschiedlich und mehr oder weniger von der Krankheit betroffen. Die Medikamente werden weiterentwickelt und in naher Zukunft werden die Dinge für uns als Sklerodermiepatienten viel besser werden. Bis dahin müssen wir auf unseren Körper und unsere mentale Gesundheit achten. Wir alle verdienen die schönsten Dinge in diesem Leben. Vielen Dank.“