Selbstmanagement

Selbstmanagement spielt eine große Rolle bei einer derart vielfältigen und komplexen Erkrankung wie Sklerodermie. Man kann als Patient selber einiges tun, um die eigene Situation zu verbessern. Hier zwei Vorträge – einer über die Erschöpfung, die häufig bei Sklerodermie auftritt und „Fatique“ genannt wird und – ein zweiter darüber, wie man sich mit der richtigen Ernährung besser fühlen und sein Gewicht halten kann.

Wie mit Fatigue umgehen?

Nach einem Vortrag von Prof. Eric Hachulla, Universität von Lille, Frankreich, zum 6. Welt-Sklerodermie-Kongreß, übersetzt und zusammengefaßt von Mitgliedern der Scleroderma Liga e.V., 2020

Was ist Fatique?

  • Fatigue beschreibt eine physische oder/und mentale Erschöpfung. 
  • Mind. 50% der Sklerodermiepatienten sind davon betroffen. 
  • Es gibt nicht nur eine Ursache für Fatigue. Sie kann assoziiert sein z.B. mit einer Lungenfibrose (40% der Patienten mit Sklerodermie haben Lungenfibrose), Blutarmut, Herzerkrankung, Schlafstörungen (z.B. Atemaussetzer), emotionalem Stress und Angst. Fatigue kann auch die Folge einer Infektion oder eines belastenden Erlebnisses sein. Ein großer Faktor ist die „Dekonditionierung“ (?). 
  • Man sollte sich Zeit nehmen, die Mechanismen seiner Fatigue kennenzulernen. 
  • Selbst beobachten, z.B.: Ist die Fatigue plötzlich oder langsam entstanden, kommt sie zyklisch wieder? Spielen Ängste evtl. eine Rolle? Schlafe ich gut und genug? In welchen Situationen tritt die Fatigue auf? Wie gehe ich damit um? In Workshops kann man sich dazu austauschen und gemeinsam die Mechanismen besser verstehen. 

Physisch oder psychologisch?

Physische Gründe ausschließen!

  • Physische Untersuchung
  • Bluttest (z.B. Anzahl der Blutzellen, Erythrozyten Sedimentationsrate, C-reaktives Protein, Leberfunktionstest, Urea und Elektrolyte, Schilddrüsenfunktionstest, Kreatin Kinase, Glukose, Eiweiß im Urin)
  • Bei Schlafstörungen: Schlafuntersuchung (polysomnographic sleep recording)
  • Bei anhaltenden diffusen Schmerzen: Assoziierte Fibromyalgie erkennen. 20-30% der Patienten mit Sklerodermie haben eine assoziierte Fibromyalgie. Es gibt einen einfachen Fragebogen dazu, um schnell herauszufinden, ob man wahrscheinlich Fibromyalgie hat. Wer seit mind. 3 Monaten Schmerzen an Gelenken, Muskeln oder Sehnen hat, sollte diesen ausfüllen. Dies hilft dem Arzt bei der Bewertung der Symptome:  
    • Ich habe Schmerzen in meinem ganzen Körper (ja/nein)
    • Meine Schmerzen werden begleitet von einer kontinuierlichen und sehr unangenehmen allgemeinen Müdigkeit.
    • Meine Schmerzen sind brennend, wie elektrische Schläge oder Krämpfe.
    • Meine Schmerzen werden begleitet von anderen sensorischen Störungen wie Pricken, Kribbeln oder Taubheit. 
    • Meine Schmerzen werden begleitet von anderen gesundheitlichen Problemen wie Verdauungsstörungen, Probleme mit dem Harnapparat, Kopfschmerzen oder unruhige Beine.
    • Meine Schmerzen haben einen signifikanten Einfluss auf mein Leben, insbesondere auf meinen Schlaf und auf meine Konzentrationsfähigkeit. Generell fühle ich mich langsamer. 

Es gibt 9 Wege, seine Energie wieder zu bekommen:

  1. Gesundheitliche Probleme ausschließen (Bluttest und Untersuchung)
  2. Yoga: Gibt nachweislich mehr Energie 
  3. Regelmäßige körperliche Aktivität: Gibt Energie, Selbstbewusstsein und stärkt Herz, Lunge und Muskeln
  4. Viel Wasser trinken
  5. Früh ins Bett gehen, bei Bedarf außerdem kleiner Nachmittagsschlaf von 10 Minuten (nicht mehr als 30 Minuten)
  6. Fisch essen (mind. 2-3mal pro Woche): Gut fürs Herz, Omega 3-Öle sorgen für mehr Wachheit und Energie
  7. Den Tag nach der inneren Uhr ausrichten: Herausfinden, ob man eher in den frühen Morgenstunden oder später am Tag leistungsfähig ist und die Aktivitäten danach planen. 
  8. Übergewicht abbauen: Regelmäßig und ausgewogen essen, zu fettiges Essen verstärkt die Fatigue
  9. Sich informieren / an Workshops teilnehmen, um im Gespräch Strategien zu entwickeln.

Eine Ernährung…

…um sich besser zu fühlen und das Gewicht zu halten

Nach einem Vortrag von Elizabeth Volkmann, Direktorin des UCLA Scleroderma Programs, University of California, zum 6. Welt-Sklerodermie-Kongreß, übersetzt und zusammengefaßt von Mitgliedern der Scleroderma Liga e.V., 2020

Ernährung bei Autoimmunerkrankungen

  • Es gibt keine einzelne Diät, die für jeden paßt. Es gibt Unterschiede in den Genen, der Kultur, den Gewohnheiten in der Familie, der Region, der Jahreszeit und vielem mehr.
  • Was für andere funktioniert, muß nicht für Dich/Sie funktionieren.
  • Was für Dich/Sie funktioniert, kann sich mit der Zeit verändern.

Der beste Ansatz ist sich selbst genau zu beobachten.

  • Führe ein Tagebuch
    • Verfolge deine täglichen Symptome (Stärke und Art)
    • Schreibe auf, was du jeden Tag gegessen hast
  • Esse aufmerksam
  • Achte genau darauf wie du dich während dem Essen fühlst und nachher (jeweils direkt nach dem Essen und die nächsten 1-2 Tage)

Das mag mühsam sein, aber es zumindest mal für einen Monat zu probieren, kann sehr hilfreich sein.

Spezielle Strategien bei Systemischer Sklerodermie

Spezielle Symptome bei SSc:

  • Speiseröhre: Schluckbeschwerden, Reflux (Sodbrennen)
  • Magen: schnelle Sättigung, Blähungen, Blutungen
  • Dünndarm: schlechte Nahrungsaufnahme/-verwertung, Gewichtsverlust
  • Dickdarm: Durchfall, Verstopfung
  • Rectum: Kotinkontinenz

Ursachen:

  • Zuviel Kollagen
  • Muskelverlust
  • Der Darm bewegt sich nicht mehr richtig.
  • Die Bakterien haben keine richtige Balance.
Quelle: Vortrag E. Volkmann

Der Einfluß der Darmflora

Im Vergleich mit anderen Menschen kommen bei SSc bestimmte Bakterien häufiger vor (grüne Balken) und andere weniger häufig (rote Balken auf dem Bild darunter). Häufiger sind vor allem Bakterien, von denen angenommen wird, dass sie Entzündungen fördern und geringer vertreten sind Bakterien, die wahrscheinlich Entzündungen hemmen. Daran sollte sich ein speziell für SSc entwikeltes Probiotikum orientieren:

Forschungsergebnisse der Referentin E. Volkmann
Stark verarbeitete Lebensmittel…

…sind besonders zu vermeiden. Sie können entzündliche Prozesse im Körper unterstützen, die Leber schädigen und letztendlich damit die Gesundheit der Person erheblich beeinflussen. Beispiele sind:

  • alle Arten von Wurst, Speck, Schinken
  • Chips
  • Eingefrorene Gerichte

Diese Lebensmittel enthalten Zusatzstoffe, die meist die Haltbarkeit, das Aussehen und den Geschmack beeinflussen sollen. Häufige Zusatzstoffe und die Auswirkungen auf die Darmflora (Darmbakterien) und die Gesundheit der Person sind in folgender Liste aufgeführt:

Quelle: Vortrag E. Volkmann

Wie kann man stark verarbeitete Lebensmittel erkennen?

  • Bei Nahrungsmitteln in einer Verpackung, kann man einen Blick auf die Inhaltsstoffe werfen: Wenn mehr als 5-10 Stoffe enthalten sind oder einige so komplizierte oder chemische Namen haben, dass man sie kaum aussprechen kann oder von denen du nie gehört hast, dann ist es sicher nicht empfehlenswert.

Welche Nahrungsmittel können noch Schwierigkeiten machen? (das muss nicht für jede und jeden so sein)

  • Rohe Nahrungsmittel
  • Zusätzlicher Zucker
  • Rotes Fleisch
  • Molkereiprodukte (einige wenige Patienten)
  • Gluten (einige wenige Patienten)
Rohe Nahrungsmittel…

…wie diese Gemüsesorten und Früchte können Probleme verursachen, wenn die Darmbeweglichkeit eingeschränkt ist, speziell bei hohem Anteil an Balaststoffen:

Quelle: Vortrag E. Volkmann
Balaststoffe …

…sollten möglichst aber nicht generell vermieden werden, sondern nur reduziert und gut durchgekocht werden, um Blähungen zu vermeiden. Balaststoffe mit ihren probiotischen Fasern sind wichtig für die Darmgesundheit, da sich die Bakterien von ihnen ernähren. Eine balaststofffreie Ernährung darf immer nur vorübergehend sein.

Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten…

…kann man am besten selbst ermitteln. Der Arzt kann nachher nur beratend unterstützen, aber er oder sie wird uns nie so gut kennen können wie wir uns selbst beobachten können.

Nachdem man alle Nahrungsmittel für längere Zeit weggelassen hat, die problematisch sein könnten und entsprechende Symptome verschwunden sind, nimmt man sie eins nach dem anderen wieder in den Speiseplan auf und schaut genau, wann welche Probleme wieder auftreten und wie stark sie sind. So könnte der entsprechende Plan einer schrittweisen Wiedereinführung von Nahrungsmitteln aussehen:

Für jeden Tag wählt mein eine Zutat oder ein Lebensmittel aus, das man wieder in den Speiseplan aufnimmt. Man überprüft dann kurz nach der Mahlzeit, wie man sich fühlt und einige Zeit später. Für jedes Symptom beurteilt man dann die Stärke und die Entwicklung mit +/- Zeichen, die man eventuell vervielfacht.

Wenn man rohe Lebensmittel isst, ist es besser, die separat zu essen. Also nicht zusammen mit einer schweren Mahlzeit (viele Proteine und/oder Fett). Die Verdauung der rohen Sachen ist leichter, wenn nicht gleichzeitig vieles andere verdaut werden muss. Die Beschwerden sind wahrscheinlich geringer.

Vermeide zusätzlichen Zucker!
  • Zucker vermindert die Vielfalt der Darmbakterien
  • Weniger nützliche, gesunde Darmbakterien
  • Erhöhte Durchlässigkeit der Darmwand (Leaky-Gut-Syndrom – Änderungen bei den Proteinen können die Darmwand schädigen, sodass entzündungsfördernde Darmbakterien in die Blutbahn gelangen können – bei sehr hohem Zuckerkonsum)
Ob man rotes Fleisch vermeiden oder einschränken …

… sollte, wird teilweise kontrovers diskutiert. Es wird mit einem größeren Risko für einige Autoimmunerkrankungen in Zusammenhang gebracht, z.B. MS. Zumindest ist klar, dass es wenige Vorteile für die Ernährung mit sich bringt. In manchen Gegenden auf der Welt ist es sehr schwierig, Fleisch zu bekommen, dass nicht mit Hormonen und/oder Antibiotika belastet ist und das ist sicher sehr problematisch für die Gesundheit der Darmflora. (Bei einer sehr großen Studie in den USA gab es klare Anzeichen für eine um 10% höhere Sterblichkeit bei mindestens einer halben Portion rotem Fleisch pro Tag und zusätzlich 13% bei Frauen und 9% bei Männern, wenn dieses Fleisch stark verarbeitet war, also z.B. Wurst oder Speck.)

Strategien, um die Ernährung zu verbessern

  • Stark verarbeitete Lebensmittel mit vielen Zusätzen, wie Konservierungsstoffen, Geschmacksverstärker vermeiden

Diätvorschläge bei speziellen Symptomen

Blutungen

  • Erwäge einmal am Tag eine flüssige Mahlzeit einzunehmen, um dem Magen eine Pause zu gönnen. Das kann eine Gemüsesuppe sein oder püriertes Gemüse oder ein Gemüse-Smoothy (frisch gepresser Saft)
  • Esse nicht unterwegs, sondern zu Hause in Ruhe – nicht am Computer oder beim Fernsehen – und esse lieber, wenn du entspannt bist
  • Nimm dir Zeit zum Kauen
  • Kräutertees
  • Genug Wasser während des Tages trinken
  • Vermeide weiße Nahrungsmittel (Weißbrot, weißen Reis, weißen Zucker) – alles, was weiß ist, bei manchen trifft das sogar auf Bananen zu

Reflux, Sodbrennen

Vermeinde
  • Gebratene Speisen
  • minderwertige Öle
  • Rotes Fleisch (Umstritten, aber teilweise nachgewiesene höhere Sterblichkeit)
  • Kaffee
  • Scharfe Gewürze (Chilli, Senf, Pfeffer)
  • Alkohol
  • Zitrusfrüchte, Tomaten
  • Essig
Mehr davon! (wenn es vertragen wird)
  • Suppen
  • Glutenfreier Hafer
  • Joghurts (muss nicht aus Kuh- oder Schafsmilch sein)
  • Avocado
  • Spinat
  • Gurke
  • Flüssiges Grünzeug
  • Kamillentee

Raynauld Phänomen

  • Warme Getränke, Tees, Suppen
  • Eisgekühlte Getränke und Eis vermeiden
  • Rohe Nahrungsmittel vermeiden, vor allem, wenn es kalt ist
  • Es ist wichtig, dass man nicht friert, wenn oder bevor man ißt.
  • Nach dem Essen nicht hinlegen, sondern einen kleinen Verdauungsspaziergang machen. (Eine alte Mönchsweisheit sagt: „Nach dem Essen soll man Stehen oder tausend Schritte gehen.“ Anm. d. Übersetzerin)

Empfehlungen, um das Gewicht zu halten

Die aufgenommene und investierte Energie muß ausgeglichen sein, um das Gewicht zu halten.

Quelle: Vortrag von E. Volkmann

Was kostet mehr Energie – speziell bei SSc?

  • Das Atmen ist anstrengender, wenn die Lunge betroffen ist.
  • Höherer Aufwand beim Bewegen wegen physischer Einschränkungen, wie Arthritis, Muskelentzündungen, Hautbeteiligung (fest), Gelenke
  • Entzündungen wegen der SSc
  • höherer Streß wegen der Krankheit und den zusätzlichen Sorgen, die damit verbunden sein können

Ursachen für niedrigere Nahrungsaufnahme

  • Mangelernährung wegen schlechterer Verwertung der Lebensmittel im gesamten Verdauungssystem (die Aufnahme von wichtigen Bestandteilen ist erschwert)
  • Geringerer Appetit, z.B. schneller satt fühlen durch die Krankheit, Nebenwirkungen von Medikamenten, Depression, Schwierigkeiten beim Schlucken

Was kann man tun?

  1. Therapie für Lunge, Arthritis u.a. Beschwerden
  2. Physiotherapie, um die Mobilität zu steigern
  3. Therapie, um die Entzündungswerte zu senken
  4. Maßnahmen, um die negativen Auswirkungen von Streß zu reduzieren, wie Meditation, Yoga, Psychotherapie u.a.
  5. Therapie für den Verdauungsprobleme
  6. Leichte Speichen, die gut verdaulich sind (Suppen)
  7. Vermeide rohe Lebensmittel (in kleinen Mengen meist möglich)
  8. Lieber kleinere Mahlzeiten häufiger am Tag
  9. Mehr gesundes Fett aufnehmen (konzentriertere Kalorien, z. B. Fischöl, Pflanzenöle wie Olivenöl, Leinöl, Hanf- und Kürbiskernöl oder auch die Samen direkt, dunkelgrünes Gemüse wie Grünkohl, Mangold und Weißkohl)